Eine andere Sicht (Paris)

Die Vorbereitung entwickelte sich zunehmend in Richtung Zeitgenössisches. Aber kann ein Paris‑Besuch ohne Belle Époque komplett sein?

Es ist wieder Zeit für Paris. Dank der neuen Direktverbindung von Berlin kann ich die Fahrt nutzen, um die Wunschliste zu verfeinern. Schon die Vorbereitungen weckten die Idee, diesmal die moderne Architektur und die Randbereiche innerhalb des äußeren Rings zu erkunden.

Im Nordosten besuchte ich die Parkanlage La Villette, die seit den 1980er Jahren auf dem Gelände einer ehemaligen Schlachthofanlage entstand und stark der Musik sowie zeitgenössischer Architektur gewidmet ist. Zu den frühen Bauten gehören die bekannte Konzerthalle Le Zénith und das Kugelkino La Géode vor dem Wissenschaftsmuseum.

Goede und Follie

Der Park folgt einem dekonstruktivistischen Masterplan von Bernard Tschumi, der in den 1980er/90er Jahren etappenweise realisiert wurde. Markant sind die 26 kleinen roten Pavillons, die einem Raster im Gelände folgen.

Neben der Cité de la Musique besichtigte ich die Philharmonie de Paris, Jean Nouvels jüngstes Projekt, eröffnet 2015. Das Gebäude entzieht sich klaren Linien und stellte mich fotografisch vor reizvolle Herausforderungen.

Philharmonie

La Villette bietet viel Raum zum Entspannen und Entdecken; hier werde ich auf künftigen Besuchen sicher mehr Zeit verbringen.

Ganz in der Nähe betrat ich einen begehbaren Abschnitt der Petite Ceinture, der ehemaligen Ringbahn, die Paris bis in die 1960er Jahre umschloss. An vielen Abschnitten sind auf den Gleisflächen Spazierwege, alternative Clubs und Restaurants entstanden.

Bahnhofsbar

Am östlichen Rand liegt der Parc de Bercy mit der pyramidenförmigen AccorArena und der Cinémathèque française von Frank Gehry.

Cinematheque

Von dort überquerte ich die Seine zur Bibliothèque François-Mitterrand. Ein weitläufiger, nahezu leerer Platz wird von vier L‑förmigen Gebäuden gerahmt, die aufgeschlagene Bücher symbolisieren sollen. Im Zentrum verbirgt sich ein tiefgelegener Garten, der nur durchs Gebäude zugänglich ist. Für die Ausstellung musste ich zunächst mehrere Etagen hinabsteigen — und war doch nicht im Keller.

BFM

Auch im noblen Westen entdeckte ich Zeitgenössisches: Zwischen typischen Belle‑Époque‑Fassaden behauptet sich ein schlichter weißer Bau, heute öffentlich zugänglich als Museum — die Maison La Roche, eines der frühen Werke von Le Corbusier.

Moderne entspannung

Noch weiter westlich offenbart sich die Moderne schlechthin: La Défense, seit den 1960er Jahren geplant und seit den 1970er Jahren kontinuierlich mit Hochhäusern bestückt. Im Zentrum steht der Grand Arche, François Mitterands moderner Triumphbogen, umgeben von Wolkenkratzern unterschiedlichster Höhe.

Grand Arche

Mitten im Bois de Boulogne ließ Louis Vuitton von Frank Gehry ein dekonstruktives Museum errichten — ein Bauwerk wie eine Explosionszeichnung, das regelmäßig große zeitgenössische Ausstellungen zeigt.

Dekonstruktion

Kein Parisaufenthalt ist für mich komplett ohne eine Rückkehr in das 19. Jahrhundert: Mit dem Regionalzug fahre ich nach Saint‑Germain‑en‑Laye. Dort lohnt das Schloss mit seinem Park und das Château de Monte‑Cristo, das Alexandre Dumas im Stil einer Burg mit angeschlossenem Arbeitszimmer errichten ließ und in dem er einige Jahre lebte.

Monte Christo

Es ergab sich eine spannende Mischung, die mich von den üblichen Wegen ablenkte — und die bei meinen nächsten Besuchen sicher wieder eine Rolle spielen wird.

Viele Grüsse Thomas